„Wenn ich eine alte Frau bin, werde ich Lila tragen. Mit einem roten Hut, der nicht passt und mir nicht steht. Und ich werde meine Rente für Brandy und Sommerhandschuhe ausgeben, und Satinsandalen und sagen, wir haben kein Geld für Butter.“

Jenny Joseph [1] 

Betrachtet man die violettfarbigen Lavendelfelder in der Provence von Frankreich, die im Frühling in ihrer vollen Blüte stehen, dann kann man sich die Farbe Violett ohne ihren betörenden Duft nicht vorstellen. Als Farbstoffe taugten Lavendel und Veilchen in der damaligen Zeit allerdings nicht. Sie wurden zum Parfümieren von Kleidern, Perücken und Räumen verwendet. Um Violetttöne herzustellen musste man Textilien in einem arbeitsaufwendigen Verfahren färben, wobei nacheinander rote und blaue Farbstoffe wie Kermes und Färberwaid eingesetzt wurden.
Laut einer von der Soziologin Frau Dr. Eva Heller [2] durchgeführten Umfrage bei 1888 Frauen und Männern aller Altersgruppen, ist das Violett heute eine Farbe der gemischten Gefühle und wird mehr abgelehnt als geliebt. Violett und Lila kommen so selten in der Natur vor, dass ihre Namen in zahlreichen Sprachen derselbe ist wie die wenigen Blumen, die violett oder lila sind.
Violett ist die Verbindung zwischen einer warmen und einer kalten Farbe, Rot und Blau, was dieser Farbe eine gewisse Komplexität verleiht. Alle Mischfarben werden als zweideutig, unsachlich, unsicher betrachtet. Das Violett ist die unsachlichste und zweideutigste Farbe unter ihnen. Es herrscht immer eine gewisse Unsicherheit, ob ein Violett eher rötlich oder bläulich ist, denn der Farbeindruck kann sich mit dem Licht ändern. Deshalb wurde das Violett auch als Farbe der Täuschung und der Untreue betrachtet. Lila, in dem sich Rot, Blau, Weiβ gegenseitig aufheben, ist die Farbe mit der größten Ambivalenz. Sie ist eine eher dunkle Farbe, die eine gedämpfte aber intensive Energie ausstrahlt. Die Farbe der Introspektion und der Schatten.

Violett ist feierlich,
dämpft Aufregung, Lärm und Hast.
Werde bei Meditationen schnell Gast!
Violett ist Trauerzeit.
Menschen gedenken der Vergänglichkeit,
wenn sich das Jahr zum Ende neigt.
Violett im Licht
schwingt sich aus Rot und Blau empor
in einem wunderbaren Regenbogen.
Violett im Amethyst
tief in der Erd geboren ist
aus Hitze, Druck und Jahrmillionen.
Violett ist Ruhe,
schenkt inneren Frieden für und für
und lila Flieder seine Düfte dir……

                       Noris [3]

In der Antike war das Tragen von purpurfarbenen Kleidern ausschlieβlich den Machthabern reserviert. Der Farbgewinnung des Purpurs ging ein komplizierter und sehr kostenaufwendiger Herstellungsprozess voraus. Es wurde nämlich aus Meeresschnecken gemacht. 12 000 Purpurschnecken waren nötig um 1,4 Gramm Purpurfarbe zu gewinnen – eine Menge, die lediglich dafür ausreichte, ein Taschentuch zu färben. Um ein purpurfarbenes Gewand anzufertigen, brauchte man außerdem mehrere Jahre.  Deshalb assoziierte man lange Zeit diese Farbe mit der Macht. Seit Beginn des 15. Jahrhunderts färbte man jedoch nicht mehr mit dem echten Purpur und das Rot übernahm die Vorrangstellung unter den Mächtigen.
Die katholische Kirche war die einzige öffentliche Institution, die ihre Bediensteten in Violett kleidete und tut es auch heute noch. Es ist sowohl die Rangfarbe der Bischöfe als auch die Farbe der Buβ-und Fastenzeit. Die evangelische Kirche hat Violett als ihre Farbe gewählt. An evangelischen Kirchentagen werden nämlich weiβe Fahnen geflaggt, die ein violettes Kreuz haben und auf Schildern, die Hinweise auf evangelische Gottesdienste geben, befindet sich eine stilisierte violette Kirche. 
Violett gilt als die traditionelle Farbe der Theologen. Als Professoren an den Universitäten noch Talare trugen, hatte jede Fakultät ihre eigene Farbe. An der Preußischen Universität war es Tradition, dass die Theologen Violett, die Philosophen Dunkelblau, die Mediziner Hellrot und die Juristen Dunkelrot trugen.
Violett bedeutet das Künstliche, das Stilisierte. Die Lieblingsfarbe des Jugendstils war das Violett.  Diese Kunstrichtung entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts und sie verachtete alles Natürliche als kunstlos. In den typischen Blumen-und Pflanzenornamenten des Jugendstils wird Natur dekorativ dargestellt, um der Ästhetik der Zeit zu entsprechen. Der Jugendstil ist die einzige Epoche, die das Violett als Raumfarbe anpries. Der mit violetten Tapeten ausgestattete Salon, in dem sich violett bezogene Polstermöbeln befanden galt als das Nonplusultra der Ästhetik dieser Epoche. „Diese violetten, meist mit Schwarz kombinierten Interieurs der Jahrhundertwende wirken heute im Tageslicht der Museen abschreckend. Sind sie im authentischen Licht der Petroleumlampen zu sehen, wirken sie geheimnisvoll. » [4]
Es gibt eine Redewendung, die lange Zeit bekannt war aber heute kaum noch verwendet wird : „Lila, der letzte Versuch.“ Das bedeutet so viel wie das letzte Aufflackern sexueller Begierden. Lila, so wie das durch Weiβ abgeschwächte Violett, gilt als altjüngferlich. Es war in den damaligen Zeiten die Farbe der unverheirateten Frauen, die für das kindliche Rosa schon zu alt waren und trotzdem eine jung anmutende Farbe tragen wollten. Das Lila signalisierte: Ich bin noch zu haben, auch wenn ich nicht mehr die Jüngste bin. Somit entstand das schlechte Image der Farbe Lila. Goethe schon meinte es „ hafte ihm etwas Lebhaftes ohne Fröhlichkeit » [5] an. Zu Lebzeiten des Dichters wurde auch erstmals in der Mode zwischen Kleiderfarben für Männer und Frauen unterschieden. Das Lila wurde ausschlieβlich von Frauen getragen und daher kommt auch die negative Konnotation sexuellen Begehrens. Denn für Männer gab es da kein Alterslimit erlaubter Sexualität. Kombiniert mit Braun, Grau und Schwarz entwickelte sich das Lila zu einer Farbe des Rückzugs, des Altmodischen und Introvertierten.
Violett wurde in den siebziger Jahren die Farbe der feministischen Bewegung und einer neuen Symbolfarbe der Weiblichkeit, die sich von dem  „süβen und hilflosen Rosa“ abzugrenzen suchte. Außerdem ist sie auch eine Farbe der Sensibilität und des Charmes, beides Eigenschaften, die Frauen zugeschrieben wurden.

Interessant zu bemerken ist, dass die sakrale Bedeutung des Violetts in krassem Gegensatz zur Wirkung des profanen Violetts steht. Denn niemand würde beim Anblick einer violett gekleideten Person an Demut, Bescheidenheit oder gar an Buβe denken. Violett wirkt extravagant. Violett ist das Unkonventionelle, das Originelle. Violett trägt man nicht einfach so, nicht unüberlegt, wie Kleidung zwischen Blau und Grau. Wer auffallen will, trägt Violett. Obwohl sie zu den kalten Farben zählt, ist Violett eine laute, extrovertierte Farbe, die durch ihre Seltenheit sogar aufdringlicher als Rot erscheinen kann.
Violett gilt als typische Modefarbe, obwohl es nur selten ein echter Modehit wird. Vielen erscheint Violett doch zu gewagt. Das Modische ist für viele ein negativ besetzter Begriff. Man assoziiert es mit Kurzlebigkeit, Verschwendung und demonstrativer Gefallsucht.
Unter Frauen gibt es dennoch heute viele Violett-Fans und das nehmen sich auch Gestalter zu Gemüte, wenn es darum geht Accessoires für den kurzfristigen Gebrauch zu entwerfen. Dem Violett haftet das Bild sowohl einer künstlichen Schönheit als auch eines exquisiten Geschmacks an. Ein violettes Sofa wirkt zum Beispiel luxuriöser als ein schwarzes. Bei Tieren angewendet wirkt sie geheimnisvoll und äußerst ungewöhnlich. Die Marke Milka hat sich mit ihrer berühmten lila Kuh damit langfristig in den Köpfen ihrer Kunden angesiedelt.

Im indischen System der Chakras [6] nimmt das Violett die siebte und höchste Stellung ein. Man nennt es auch das Kronenschakra. Es symbolisiert die höchste Form des spirituellen Bewusstseins einer Person. Seine Funktion besteht darin, die spirituelle Seite des Individuums zu aktivieren und somit ein Gefühl von innerem Frieden, Klarsicht und Verbindung zu etwas Gröβerem, Universellem zu schaffen.  Es reguliert auch auf physiologischer Ebene das zentrale Nervensystem und die Zirbeldrüse, eine kleine endokrine Drüse, die für die Produktion von Melatonin und die Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich ist.

Der Maler und Kunstpädagoge Johannes Itten [7] entwickelte während seiner Lehrtätigkeit von 1919 bis 1923 im Bauhaus Weimar die Grundlagen seiner Farbtheorie. Er interessierte sich vor allem für die Interaktion und der daraus resultierenden Kontraste der zwölf Farben, die er in einem Farbkreis angeordnet hatte. Seine Grundidee war, dass alle Farben aus nur drei Grundfarben gemischt werden können.
Die Farbe Violett zählt zu den kalten Farben und ist die Komplementärfarbe zu Gelb. Komplementärfarben sind die Farben mit den größten Gegensätzen und sie liegen sich im Farbkreis gegenüber. Werden diese gemeinsam gewählt wie z. B. Violett und Gelb, dann verstärken sich diese beiden Farben in ihrer optischen Wirkung gegenseitig. Es entsteht der so genannte Komplementärkontrast.
Primärfarben sind Grundfarben, aus denen sich alle anderen Farben mischen lassen. Sekundärfarben entstehen durch eine Mischung zweier Farben. Violett ist die Verbindung zwischen einer warmen und einer kalten Farbe, Rot und Blau, was dieser Farbe eine gewisse Komplexität verleiht.


[1] Frei übersetzt nach JOSEPH, Jenny, Warming, unter: hier (abgerufen am 7.2.2024)
[2] Heller, Eva, Wie Farben wirken, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1999
[3] Quelle : (abgerufen am 23.2.2024)
[4] Heller, Eva,Wie Farben wirken, op.cit, Seite 173
[5] Zitiert von Heller, Eva in , Wie Farben wirken, op.cit., S. 176
[6] « Die Chakren-Lehre beschreibt ein allumfassendes Energie-System. Jedes einzelne Chakra gilt als Energiezentrum, das eine Verbindung zwischen Körper, Geist und Umwelt schafft – quasi ein Portal zwischen der inneren und äußeren Welt. Der Begriff « Chakra » stammt aus dem Sanskrit und bedeutet übersetzt „Rad“. Es ist ein Modell der organisatorischen Struktur des Lebens und dieses Muster ist überall in der Natur zu finden.
[7] Farbkreis nach Itten, unter : hier (abgerufen am 9.2.2024)

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