Die Farbe Gelb

„Es gibt Maler, die aus der Sonne einen gelben Fleck machen, aber es gibt andere, die Dank ihrer Kunst und Intelligenz einen gelben Fleck in die Sonne verwandeln“
Pablo Picasso [1]
Gelb, wie Rot, strahlt eine gewisse Wärme aus, aber in einem anderen Sinne: es repräsentiert die Glut des Sonnenlichts. Als die am meisten reflektierende und leuchtende Farbe des Farbkreises sorgt Gelb bei reiner Verwendung für eine starke Dynamik. Gelb wird mit großer Energie, hellem Licht, und Fröhlichkeit assoziiert. Optimisten haben ein sonniges Gemüt. Manchmal vermittelt es ein Gefühl der Dringlichkeit oder sogar Warnung.
Die Farbe Gelb ist jedoch eine sehr zwiespältige Farbe. Die von der Erfahrung abgeleitete Bedeutung als Symbol der Sonne, des Lichts und des Goldes ist eher positiv. Die historisch geprägte Symbolik ist jedoch überwiegend negativ. Sie war die Farbe der Geächteten und der egoistischen Eigenschaften. Ein Blick auf gängige Redewendungen mit Gelb verdeutlicht das sehr gut. So ist Gelb vielfach die Farbe, die Menschen annehmen, wenn die Situation unangenehm wird: wir werden zum Beispiel gelb vor Neid. Auch wenn es um schlechtes Aussehen und Kranksein geht, kommt das Gelb ins Spiel, so wie zum Beispiel bei der Gelbsucht. Wer sich viel und oft ärgert, wird gallenkrank. In der Farbsymbolik der Christen gehört zu jeder Todsünde eine Farbe. Neid und Geiz sind dementsprechend gelb.
Gelb wird zu Gold, wenn das Schöne, das Wertvolle gemeint ist. Aber was schön und kostbar ist, wird nicht gleichgesetzt mit gelb. Die Sonne ist gelb, aber man nennt sie die goldene Sonne. Den Sonnengöttern Helios, Apoll und Sol war die Farbe Gelb geweiht- es ist das goldene Gelb, ohne Metall zu sein. Wo gelbe Blumen blühen, heißt es in der Sage, liegt in der Erden Gold vergraben. Gelbes Haar wird in lyrischer Sprache zu goldenem Haar. Gelb ist außerdem die Farbe der Reife. Wieder wird das Gelb als Gold idealisiert: goldene Ähren, goldene Früchte, goldenes Laub, goldener Herbst.
« Gelb, Gold und Glanz sind also sprachlich verwandt. Durch die Verwandtschaft zum Gold wird Gelb zu einer Farbe des Reichtums, des Luxus – und der Angeberei. » [2] Dem Gelb wurden die positiven Attribute vom Gold gestohlen.
Warum die Zitronen sauer wurden
Ich muss das wirklich mal betonen:
Ganz früher waren die Zitronen
(ich weiß nur nicht genau mehr, wann dies
gewesen ist) so süß wie Kandis.
Bis sie einst sprachen: „Wir Zitronen,
wir wollen groß sein wie Melonen!
Auch finden wir das Gelb abscheulich,
wir wollen rot sein oder bläulich!“
Gott hörte oben die Beschwerden
und sagte: „Daraus kann nichts werden!
Ihr müsst so bleiben! Ich bedaure!“
Da wurden die Zitronen sauer . . .
Heinz Erhardt[3]
Aktivitäten
Die Farbe Gelb in der Geschichte
Bei den Minnesängern, die den Wandel der Gefühle gern mit den Zyklen der Natur verglichen, wurde die Farbe der Reife zur Farbe der sinnlichen Liebe. Gelb symbolisiert höchste Beglückung, der Liebe Lohn. Ein alter Osterbrauch: Wenn ein Mädchen einem Verehrer gelb gefärbte Ostereier schenkte, galt das als Zeichen der Erhörung. Safrangelb ist auch das Kleid des Dionysos, Gott des Weines und der Fruchtbarkeit.
Die berühmteste Pflanze zum Gelbfärben war in damaligen Zeiten der Safran. Das Farbpigment wurde aus den Blüten der Krokuspflanze hergestellt. Da man für ein Kilo Farbstoff bis zu 200 000 Blüten benötigte und sowohl der Anbau als auch die Ernte ein sehr mühsamer und arbeitsaufwendiger Prozess war, konnte man es sich in Europa nicht erlauben, mit Safran zu färben. Er wurde als Gewürz und Heilmittel verwendet. Seit dem Mittelalter wurde in Europa mit der Distel Saflor und mit dem Wau gefärbt. Man konnte damit aber nur ein sehr fahles Gelb herstellen.
Gelb war also eine traurige, matte, erloschene Farbe und man assoziierte Krankheit, Verrat und Lüge mit ihr: verruchte Gestalten sind auf Bildern des Mittelalters in gelber Kleidung gezeichnet und Judas trug immer ein gelbes Gewand. Gelb ist die Farbe der Verräter und Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben mussten. Eine Hamburger Kleiderordnung von 1445 schrieb den Prostituierten vor, ein gelbes Tuch zu tragen. Frauen mit unehelichen Kindern mussten ihre Schande durch gelbe Kleidung offenbaren. Wer Schulden hatte, musste gelbe Kreise auf die Kleider nähen. Wo Geächtete wohnten, strich man die Türen gelb. Vor allem Juden wurden diskriminiert. Die Christen erklärten Gelb zur Farbe der Juden. Im 12. Jahrhundert mussten sie einen gelben Hut tragen und später im Nationalsozialismus einen gelben Stern. Die Nationalsozialisten haben sich der Symbole des Mittelalters bedient und der gelbe Stern war besonders gut auf der Kleidung der damaligen Zeit zu sehen, die überwiegend grau, braun, schwarz und dunkelblau war.
Wie kam es, dass diese leuchtende Farbe zur Farbe der Geächteten wurde? Gelb kann als leuchtende Farbe von jedem erkannt werden. Man kann sie nicht verstecken auch nicht in der Dunkelheit. Auβerdem war das fahle Gelb nie als Kleiderfarbe beliebt, denn wer fahlgelb trägt, sieht alt und krank aus. Goethe schrieb 1800: „Wenn die gelbe Farbe unreinen und unedlen Oberflächen mitgeteilt wird, wie dem gemeinen Tuch, dem Filz und dergleichen, worauf sie nicht mit ganzer Energie erscheint, entsteht eine solche unangenehme Wirkung. Durch eine geringe und unmerkliche Bewegung wird der schöne Eindruck des Feuers und Goldes in die Empfindung des Kotigen verwandelt und die Farbe der Ehre und Wonne zur Farbe der Schande, des Abscheus und Missbehagens umgekehrt… » [4]
Die Farbe Gelb wurde von den impressionistischen Malern in den Jahren 1860-1880 wieder reetabliert. Das Atelier wurde in die freie Natur verlegt und die Kunst entwickelte sich von der rein figurativen in eine immer abstraktere und im Ausdruck freiere Kunst: die Maler und Malerinnen bedienten sich in ihren Bildern weniger der Polychromie und Farbnuancen. Sie konzentrierten sich darauf, die Veränderungen der Sonneneinstrahlung und den Einfluss der Atmosphäre auf die visuelle Wahrnehmung der Landschaft zu erfassen. Das Gelb wurde aufgewertet. Es nahm den Rang einer der drei Primärfarben ein.
Die Farbe Gelb heute
Auch heute noch ist Gelb als Kleiderfarbe keine sehr beliebte Farbe. Sie wird selten als Modefarbe angepriesen und wenn schon, dann eher als sommerliche Freizeitbekleidung.
Gelb wird noch immer als vulgär betrachtet. Juweliere wissen das: die meisten Kunden bevorzugen Weiβgold oder Silber. Der groβe Rivale von Gelb ist heute das Orange. Mit letzterem wird Vitalität und Freude verbunden. Die Sonnenenergie wird eher mit einem Orangensaft als einem Zitronensaft repräsentiert. Nur Kinder sind dieser Farbe wohl gesonnen. In ihren Bildern gibt es gelb leuchtende Sonnen und gelbe Häuserfenster. Erst später, wenn sie in das Erwachsenenalter kommen, kehren sie dem Gelb den Rücken zu. Die Geschmäcker der Erwachsenen scheinen nicht mehr so spontan, sondern beeinflusst von den vorherrschenden kulturellen Traditionen zu sein.
Wenn es einen Bereich gibt, in dem die gelbe Farbe langsam wieder beliebter wird, so ist es im Sport und der Freizeitbekleidung. Laut dem französischen Farbspezialisten Michel Pastoureau „ steht dem Gelb noch eine schöne Zukunft bevor. « [5]
Gelb in anderen Kulturen
In asiatischen und arabischen Gesellschaften ist das Gelb eher positiv konnotiert. Im Islam ist Goldgelb die Symbolfarbe der Weisheit. In China war Gelb lange Zeit die Hoheitsfarbe des Kaisers und hat auch heute noch einen wichtigen Stellenwert in der chinesischen Gesellschaft. Sie ist gleichbedeutend mit Reichtum, Weisheit und Macht. Chinesen erleben das Gelb als lebensspendende Naturkraft: Nordchina wird ständig vom Staub aus der Wüste Gobi überzogen, es ist gelber Löβstaub, der zu fruchtbarem Ackerboden wird.
In jeder Kultur ist die bedeutendste Farbe männlich. Dem männlichen Gelb steht in China als weiblicher Gegenpol Schwarz gegenüber. Das sind Vorstellungen, die europäischem Farbempfinden widersprechen. Für uns ist Schwarz eindeutig eine männliche Farbe, wir empfinden Gelb als weiblich. Und der Gegenpol zu Schwarz ist nicht gelb, sondern weiβ. Nach der chinesischen Symbolik wird das Gelb aus Schwarz geboren, so wie die gelbe Erde aus den schwarzen Urgewässern entstand.
Im indischen System des Chakras [6] nimmt das Gelb die dritte Stellung ein. Man nennt es auch das Solarplexuschakra. Es ist der Sitz unserer Persönlichkeit. Von hier werden die bewussten Ziele und Veränderungen durch Gefühle und Bedürfnisse hervorgerufen. In diesem Chakra ist das Selbstvertrauen und der Mut zum Handeln angesiedelt. Es wird auch als Energiereserve unseres Körpers angesehen und nährt Bauch, Leber, Magen, Galle und das vegetative. Nervensystem.
Die Stellung im Farbkreis nach Itten
Der Maler und Kunstpädagoge Johannes Itten[7] entwickelte während seiner Lehrtätigkeit von 1919 bis 1923 im Bauhaus Weimar die Grundlagen seiner Farbtheorie. Er interessierte sich vor allem für die Interaktion und der daraus resultierenden Kontraste der zwölf Farben, die er in einem Farbkreis angeordnet hatte. Seine Grundidee war, dass alle Farben aus nur drei Grundfarben gemischt werden können.
Die Farbe Gelb zählt zu den warmen Farben und ist die Komplementärfarbe zu Violett. Warme Farben haben eine dynamisierende Wirkung während kalte Farben eher beruhigend sind. Komplementärfarben sind die Farben mit den größten Gegensätzen und sie liegen sich im Farbkreis gegenüber. Werden diese gemeinsam gewählt wie z. B. Gelb und Violett, dann verstärken sich diese beiden Farben in ihrer optischen Wirkung gegenseitig. Es entsteht der so genannte Komplementärkontrast.
Primärfarben sind Grundfarben, aus denen sich alle anderen Farben mischen lassen. Sekundärfarben entstehen durch eine Mischung zweier Farben. Gelb ist mit Rot und Blau eine der drei Grundfarben.
Aktivitäten
[1] Zitiert in: Deborah, Forman, labo couleur, Eyrolles, Paris, 2016, Seite 38
[2] Heller, Eva, Wie Farben wirken, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1999, S. 131
[3] Quelle: hier (abgerufen am 15.1.2024)
[4] Zitiert von Heller, Eva in, Wie Farben wirken, op.cit., S. 138
[5] Pastoureau, Michel, Simonet, Dominique, Le Petit Livre des couleurs, Editions du Panama, Paris, 2005,
Seite 89
[6] Die Chakren-Lehre beschreibt ein umfassendes Energie-System. Jedes einzelne Chakra gilt als Energiezentrum, das eine Verbindung zwischen Körper, Geist und Umwelt schafft – quasi ein Portal zwischen der inneren und äußeren Welt. Der Begriff « Chakra » stammt aus dem Sanskrit und bedeutet übersetzt « Rad ».
[7] Farbkreis nach Itten, unter : hier (abgerufen am 9.2.2024)