Collagenreise in die Welt der Farben

Auf die Frage: „was bedeuten die Wörter rot, blau, schwarz, weiß?“ können wir freilich gleich auf die Dinge zeigen, die so gefärbt sind. Aber weiter geht unsere Fähigkeit die Bedeutungen dieser Wörter zu erklären nicht.

Ludwig Wittgenstein [1] 

Einleitende Anmerkungen zum Thema Farben

Sich mit Farben zu beschäftigen ist eine sehr spannende Erlebnisreise in das größte Kommunikationssystem der Erde. Sie steuern unser Verhalten und machen die Welt, die uns umgibt, lesbar. Farben haben gemäß Prof. Dr. Axel Buether sieben Grundfunktionen sowohl in der Tier-und Pflanzenwelt als auch in der Welt der Menschen: Orientierung, Gesundheit, Warnung, Tarnung, Werbung, Status und Verständigung. Dank ihrer können wir Gefahren wahrnehmen und entgehen, unser Weiterleben in nachfolgenden Generationen garantieren und unser Leben durch Wahrnehmung der Farbenpracht unserer Erde verschönern und bereichern.
Für den französischen Historiker und Farbspezialisten Michel Pastoureau sind Farben und ihre Bedeutung vor allem eine Frage der gesellschaftlichen und sozialen Konventionen, Verhaltensregeln und Etiketten. Ihre Hauptfunktion besteht darin zu klassifizieren, assoziieren, gegenüber zu stellen und zu hierarchisieren. Außerdem können „die Farben der Gegenwart nur im Zusammenhang mit denen vergangener Zeiten verstanden werden, in deren Kontinuität sie stehen oder, was seltener vorkommt, im Bruch mit denselben. » [2] Im Reich der Farben befindet man sich in einer sich ständig verändernden Welt. Man glaubt in eine genaue Richtung gehen zu können, der Weg ist jedoch nie eindeutig linear und bringt uns immer wieder auf zahlreiche Umwege. Sie wechseln ihre Bedeutung in den verschieden geschichtlichen Epochen und haben selbst immer eine doppeldeutige Bedeutung. Gemäß Michel Pastoureaus ist alles ambivalent im Reich der Symbole und vor allem in dem der Farben. Jede von ihnen teilt sich in zwei gegensätzliche Identitäten.
Wände von Fabriken in grün um Konflikte zu vermeiden, weiße oder durchsichtige Putzmittel, Politiker im blauen Kostüm, die rote Karte beim Fuβball… und warum eigentlich keine in rosa gestrichenen Wände in Klassenzimmern und Universitätsräumen? Da diese Farbe doch anscheinend kreatives Denken stimuliert [3] und weiß gähnend langweilig und eher einschläfernd auf unser Gehirn wirkt? Rot vor Wut oder weiß vor Angst, schwarze Gedanken schüren, ein Grünschnabel oder gelb vor Neid sein. Wir sind ständig von Farben umgeben, beurteilen mit Farbsymboliken, was in unserer Gesellschaft und in bestimmten Situationen angemessen oder verboten ist und zahlreiche Ausdrücke verbinden Farben mit Emotionen, Werten und symbolischen Bedeutungen. Und um alles noch komplexer und vielschichtiger zu machen sind diese symbolischen Farbpaletten in vielen Ländern der Erde unterschiedlich.  Zum Beispiel heiraten in den westeuropäischen Ländern die Frauen seit 1960 in Weiß -Symbol der Unschuld-, während in China die Braut traditionell rot trägt-symbolische Farbe für Reichtum und Glück- und weiß mit Trauer verbunden wird.

Farben und Geschichte

Selbst über die Geschichte der Farben zu sprechen, scheint nach den Worten des französischen Farbenhistorikers Michel Pastoureau eine delikate Angelegenheit zu sein.  Zuerst einmal haben sich die Licht-oder Beleuchtungsbedingungen im Laufe der Menschheitsgeschichte sehr stark verändert. Elektrisches Licht gibt das Licht-und Schattenspiel eines Gemäldes nicht genauso wieder wie eine Kerze oder Öllampe. Und endlich sind die Auffassung und die Bedeutung von Farben sehr unterschiedlich in den verschiedenen Epochen. Das hängt weniger von unseren Sinnesorganen selbst ab als von unseren allgemeinen Kenntnissen, unserem Verständnis physikalischer Phänomene und chemischer Prozesse und schlieβlich auch von unseren Emotionen.

Selbst über die Geschichte der Farben zu sprechen scheint eine delikate Angelegenheit nach den Worten Michel Pastoureaus.  Zuerst einmal haben sich die Licht-oder Beleuchtungsbedingungen im Laufe der Menschheitsgeschichte sehr stark verändert. Elektrisches Licht gibt das Licht-und Schattenspiel eines Gemäldes nicht genauso wieder wie eine Kerze oder Öllampe. Und endlich sind die Auffassung und die Bedeutung von Farben sehr unterschiedlich in den verschiedenen Epochen. Das hängt weniger von unseren Sinnesorganen selbst ab als von unseren allgemeinen Kenntnissen, unserem Verständnis physikalischer Phänomene und chemischer Prozesse und schlieβlich auch von unseren Emotionen.


Rosa Träume schweben zum Mond

Blaugraue Schwere bedrückt die Seele

Silberweiß sinkt sanft der Schnee
Blaugrün tost des Meers Wucht


Glutrot verschmilzt das Liebespaar
Schwarzkalt regiert die Einsamkeit


Golden wogen die reifen Ähren
Braungelb glüht der Wüste Sand


Bunte Bilder malt das Leben
ewig währt das Farbenspiel.

                       Wolfgang Richter [4]

Farben und ihre Bedeutung

Alle einer Farbe zugeschriebenen Eigenschaften entstehen aus Erfahrungen, die wir so oft gemacht haben, dass daraus verinnerlichte Bilder entstanden sind. Sie lösen automatisch-unbewusste Reaktionen und Assoziationen aus. Zum Beispiel denkt man bei Grün an Unreife (rote reife und grüne unreife Erdbeeren zum Beispiel). Somit wird die Farbe der Unreife zur Farbe der Jugend und es entstehen Ausdrücke wie „noch grün hinter den Ohren sein“ oder „noch ein Grünschnabel sein.“
Farben können außerdem auch sehr widersprüchliche symbolische Zuordnungen haben, die ebenfalls durch Erfahrungen entstehen. Diese sind gesamtgesellschaftlich zu sehen und basieren auf jahrhundertealten Überlieferungen. Die Hoffnung ist zum Beispiel grün, weil nach einem langen, farblosen Winter der fruchtbare Frühling beginnt. Das Gras taucht zart und zerbrechlich aus dem Winter auf und wird fast ohne Vorwarnung zu einem leuchtenden, gesättigten Frühlingsgrün. Samen keimen und erste Pflanzen strecken ihre Köpfe aus der Erde und nach einer trüben Zeit keimt auch wieder Hoffnung im Herzen. Aber gleichzeitig war Grün in der damaligen Zeit (bevor man Farbpigmente chemisch herstellen konnte) farblich instabil, in Grün gefärbte Stoffe nahmen schnell einen schäbig ausgewaschenen Aspekt an und als Malerfarbe war sie sogar hoch giftig. Aufgrund seiner Instabilität symbolisierte die Farbe das Unbeständige, das Schicksal, das Glücksspiel. Daher auch die grünen Teppiche in Spielcasinos und unsere grünen Tischplatten beim Tischtennisspiel.
Heute würden wir spontan eher an die Natur und Ökologie denken. Undenkbar für die frühere Gesellschaft, die die Natur über die vier Elemente Wasser, Luft, Erde und Feuer definierte.

Farben und Kultur

Und schlieβlich bedingen die verschiedenen Lebensweisen in unterschiedlichen Kulturkreisen die Farbwirkung und Bedeutung. In Europa sind die Landschaften grün und daher nichts Besonderes, während für Wüstenvölker Grün die Farbe blühender Landschaften, des Paradieses und Reichtums ist.

Farben und Emotionen

Farben sind überall und sie werden nicht nur aus ästhetischen Gründen gewählt, sondern rufen auch Emotionen hervor, werden mit bestimmen Werten assoziiert und haben eine Symbolik, die sich im Laufe ihrer Geschichte verändert hat. Was wäre unsere Welt ohne Farben? Diese Frage hat sich Jean-Gabriel Causse in seinem Roman „Les crayons de couleur“ gestellt [5]. In einer schwarz-weiβen Welt würden wir unsere Orientierungspunkte und Freude am Leben verlieren. Es ist deswegen wohl auch kein Zufall, dass viele Menschen in den lichtarmen und farblosen Wintermonaten häufiger an Depressionen und Mutlosigkeit leiden. Denn Farben sind die Metamorphose des Lichts bei der Begegnung mit der Materie. Und je weniger Licht, desto weniger Farben.

Farben sehen

Farben sind auch ein interessantes Thema mit dem wir aufzeigen können, wie sehr die Wahrnehmung und Verarbeitung der Dinge, die uns umgeben, von einer subjektiven Erfahrung abhängig sind und wir uns somit immer, wie weiter oben schon erwähnt, auf einem eher unsicheren Terrain befinden. In seinem Buch „Cerveau et nature“ [6] erklärt uns der Wissenschaftler Michel Le Van Quyen, dass Farben als solche nicht existieren. Farben sind Licht und eine Konstruktion unserer Augen und unseres Gehirns. In der Netzhaut des normalen menschlichen Auges gibt es drei Sehzellentypen oder Fotorezeptoren, die für Strahlungen verschiedener Wellenlängen empfindlich sind. Sie werden „Zapfen“ genannt. Die Aktivierung derselben führt dazu, dass Farben für unser Wahrnehmungsvermögen entstehen können. Es gibt drei verschiedene Typen von Zapfen, die S, M und L genannt werden. Sie reagieren auf die kurzen Wellenlängen (Zapfen S, „short“ auf Englisch) des Blaus, auf die mittleren Wellenlängen (Zapfen M, „Medium) des Grüns und auf lange Wellenlängen (Zapfen L, „Long“) für das Rot und Gelb. Wenn ein Lichtstrahl diese Fotorezeptoren erreicht, dann werden die entsprechenden Zapfen aktiviert und ein elektrischer Impuls über den optischen Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet. Der Mensch besitzt in der Regel ein trichromatisches Farbensehen. Das heißt, dass alle Farben, die wir sehen, eine Kombination der Signale sind, die von diesen drei Zapfen ausgehen. Es befinden sich zwischen 3 und 4 Millionen davon auf unserer Netzhaut. Das Gehirn analysiert und interpretiert diese Signale in Bezug auf einen größeren Kontext. Im Allgemeinen können wir um die hundert Farbnuancen unterscheiden.
Für das Farbensehen bedarf es also eines extrem hohen biologischen Aufwands. „Unser Gehirn verbraucht etwa 60 Prozent seiner neuronalen Ressourcen für die Verarbeitung der Informationen, die es über das Licht erhält und aussendet. » [7]
Außerdem hängt die Farbe eines Objektes von dem Licht ab, das es beleuchtet und von der Person, die es betrachtet. Sehen wir alle die gleiche Farbe? Biologen haben festgestellt8, dass zum Beispiel nicht jeder damit ausgestattet ist, verschiedene Blaunuancen zu unterscheiden, während andere wiederum einen Zapfen mehr besitzen und ihnen damit eine noch größere Palette an Farbnuancen zur Verfügung steht.
Und schließlich ist das Farbensehen auch kulturell bedingt. Eskimos kennen viele Namen für die Farbe Weiβ und können weitaus mehr Weiβ Nuancen erkennen als wir in unseren Breitengraden. Die Maoristämme in Neuseeland können anscheinend an die hundert Rottöne unterscheiden. Denn das Rot ist eine heilige Farbe bei ihnen. Das heißt also, dass wir Farben nicht auf die gleiche Weise sehen und empfinden, dass Farben sehen „trainiert“ werden kann und von unserem weiteren geografischen Kontext abhängig ist. Farben können niemals von ihren Bedeutungen und Wirkungen getrennt werden. Sobald wir sie bewusst wahrgenommen haben, hat unser Gehirn sie auch schon interpretiert.
Jeder Mensch nimmt also Farben auf eine ganz persönliche Art und Weise wahr, so dass Farben eigentlich nur in unserem Kopf existieren und die Umwelt so lange unsichtbar bleibt, bis das Licht zur Wahrnehmung wird. Sie sind das Fenster zur Welt und das größte Kommunikationssystem der Erde. Das gilt sowohl für uns Menschen als auch für die Tier-und Pflanzenwelt. „Wir orientieren uns an Farben, werben durch Farben oder verstecken uns hinter Farben…Wir nehmen Farben zwar erst einmal nur mit unseren Augen, danach jedoch stets mit allen Sinnen wahr. Und um es mit leicht abgeänderten Worten des Philosophen Paul Watzlawick zu sagen: Wir können nicht nicht über Farben kommunizieren.“9
Mit Farben lassen sich Gefühle und Charaktereigenschaften verbinden und dank ihrer vielschichtigen Symbolik geben sie Bezugspunkte zu vielen Lebensfragen. ̎Dieses facettenreiche Bedeutungsspektrum der Farben ist in den folgenden kreativen Aktivitäten berücksichtigt worden.
Für jede Farbe gibt es einen einleitenden Text und es werden eine oder mehrere kreative Aktivitäten angeboten. Zu jeder Aktivität gibt es Dokumente, die heruntergeladen und/oder ausgedruckt werden können. 

Kurze Erklärungen zur Collagetechnik

Die Collagetechnik bietet nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks. Collagetechniken sind faszinierend. Das liegt einerseits in der Auswahl der zu verwendenden Materialien und zum anderen darin, dass vor allem in der Kombination mit Malerei die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten stark erweitert werden.
Mit Bildern und Papiersorten aller Art zu arbeiten und keine eigenen Zeichnungen anfertigen zu müssen, macht die Collagearbeit zu einer spielerischen und entspannenden Aktivität, die für jeden zu bewältigen ist und immer zu einem Resultat führt. Man dringt in eine Welt ein, wo in Schichten gearbeitet wird, Dinge werden sichtbar gemacht oder versteckt und neue Welten können entstehen. Die Collagetechnik schafft eine eigene Sprache. Auβerdem ist das Durchblättern von Zeitschriften, das Ausschneiden und Kombinieren von Bildern eine spannende und kinästhetische Aktivität, die die Vorstellungskraft stimulieren und Motivation erzeugen kann.


[1] Zitiert von: Pastoureau, Michel, Dictionnaire des couleurs de notre temps, Bonneton, Paris, 1999, Seite 7
[2] Pastoureau, Michel, Dictionnaire des couleurs de notre temps, op.cit., page 9
[3] Causse, Jean-Gabriel, L’étonnant pouvoir des couleurs, Editions du Palio, Condé-sur-Noireau, 2014, Seite 63
[4] Quelle: hier (abgerufen am 20.2.2024)
[5] Causse, Jean-Gabriel, Les crayons de couleur, Flammarion, Paris, 2017
[6] Le Van Quyen, Michel, Cerveau et nature, Flammarion, Paris, 2022
[7] Buether, DR. Prof. Axel, Die geheimnisvolle Macht der Farben, Droemer Verlag, München 2020, Seite 15
[8] Le Van Quyen, Cerveau et nature, op.cit, Seite 132
[9] Prof. Dr. Buether, Axel, Die geheimnisvolle Macht der Farben, op.cit , Seite 11

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