Die Farbe Orange

„Legt man zwei Zitronen neben eine Orange, so hören sie auf, Zitrone und Orange zu sein. Sie werden Früchte“
Georges Braque [1]
Vor der Einführung der Orangenfrucht gab es die Farbe Orange nicht. In den meisten Sprachen der Welt ist die Farbe identisch mit dem Namen der Frucht. Die Orange stammte ursprünglich aus Indien, wo sie ̎narang ̎ genannt wurde. Mit den Kreuzfahrern kam sie dann nach Europa. In Spanien bekam sie den Namen ̎naranja ̎. In Frankreich verwandelten die Franzosen das erste ̎a ̎ in ̎o ̎. ̎Or ̎ bedeutet Gold und das passte farblich gut zur Orange.
Als Farbe wurde sie gemieden, da man damals nur reine Farben wie Rot und Gelb als schön empfand.
Wie kommt es, dass die Orangetöne, die so verführerisch sein können, wenn sie von der Natur selbst hergestellt werden, so gewöhnlich oder fast schon vulgär erscheinen, wenn sie künstlich vom Menschen produziert werden? Diese Frage stellt sich Michel Pastoureau, der bekannte französische Historiker und Farbenspezialist in seinem „Dictionnaire des couleurs de notre temps“ [2]. Er kann darauf leider keine befriedigende Antwort finden. Künstler sind sich dieses Mankos sehr wohl bewusst, wenn sie Orangetöne zusammenmischen. Unter den Europäern konnte sich diese Farbe nie wirklich in das Herzen der Menschen einschleichen. Laut einer von der Soziologin Frau Dr. Eva Heller (Wie Farben wirken ) durchgeführten Umfrage bei 1888 Frauen und Männern aller Altersgruppen ist Orange nach Braun – allerdings mit groβem Abstand – nach wie vor die unbeliebteste Farbe. 14% der Frauen und 9% der Männer bezeichneten Orange als ͈die Farbe, die mir am wenigsten gefällt. ̎
Im Reich der Farben befindet man sich auf einem sich ständig bewegenden Boden. Man glaubt in eine genaue Richtung gehen zu können, der Weg ist jedoch nie eindeutig linear und bringt uns immer wieder auf zahlreiche Umwege. Gemäß Michel Pastoureaus [3] ist alles ambivalent im Reich der Symbole und vor allem in dem der Farben. Jede von ihnen teilt sich in zwei gegensätzliche Identitäten. Und das gilt auch für das Orange. Mit ihm verbinden wir sowohl Wärme, Energie und Kommunikation als auch Aufdringlichkeit und Extrovertiertheit.
Orange
Die Farbe Orange wirkt stärkend und vitalisierend,
wirkt stimmungsaufhellend und aktivierend.
Sie steht für Jugend, für Frische und Fröhlichkeit,
für Exotik, für Lust und für Heiterkeit.
In Untersuchungen wurde es festgestellt,
dass Orange ganz besonders den Kindern gefällt..
Sabine Smolik-Pfeifer [4]
Aktivitäten
Einige Anmerkungen zur Geschichte der Farbe
Der Gott Dionysos-Bacchus genannt bei den Römern- galt als der Gott des Vergnügens, des Weines, des Rausches und der Fruchtbarkeit. Er war in orangefarbene Gewänder gekleidet. Der Bacchus-Kult kannte nur Priesterinnen, die sogenannten Bacchantinnen. Sie trugen orangefarbene Kleider, schmückten sich mit aus Weinlaub hergestellten Kopfkränzen das Haupt und feierten ihren Gott in betrunkenem Zustand bis zur Ekstase.
Auf mittelalterlichen europäischen Gemälden wird Orange weder als symbolische noch als reale Kleiderfarbe verwendet. Orange ist, anders als Grün und Violett, die als eigenständige Farben mit eigener Symbolik betrachtet werden, in der europäischen Kultur immer eine untergeordnete Mischfarbe geblieben. Solange nur reine Farben als schön empfunden wurden, kehrte man dem Orange den Rücken. Anstatt Orange wählte man lieber Rot oder Gelb. Einzig das rotstichige Gelb ließ man zu, das Goldgelb. Ein gelbstichiges Rot (Scharlachrot) galt als weniger vornehm als ein blaustichiges Rot (Karminrot).
Gemäß den Regeln der Heraldik war das Orange als Wappenfarbe verboten. Erst in der Neuzeit tauchte es als „Hyazinth“ benannte Farbe als Schmuckelement in den Wappen auf.
Das aufdringliche, energiebeladene Orange wurde auch zu Lebzeiten Goethes, einer Epoche, die eher von einer dezentfarbenen Ästhetik geprägt war, gemieden. Goethe schrieb dazu in seiner Farbenlehre: „Die aktive Seite ist hier in ihrer höchsten Energie, und es ist kein Wunder, dass energische, gesunde, rohe Menschen sich besonders an dieser Farbe erfreuen. Man hat die Neigung zu derselben bei wilden Völkern durchaus bemerkt. Und wenn Kinder, sich selbst überlassen, zu illuminieren anfangen, so werden sie Zinnober und Mennig nicht schonen.“ Und: „Auch habe ich gebildete Menschen gekannt, denen es unerträglich fiel, wenn ihnen an einem sonst grauen Tag jemand im Scharlachrot begegnete.“ [5]
Als man in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts es schaffte, Orangepigmente chemisch herzustellen, begann der Einzug des Orange in die europäische Gesellschaft. Und vor allem Künstler bedienten sich dieser hell leuchtenden Farbe. Berühmte Bilder entstanden wie „Impression, Sonnenaufgang“ von Claude Monet. Er leitet damit eine buchstäbliche orangene Modewelle ein. Impressionistische Maler wie Renoir trugen das Chromorange in dicken Schichten auf um die Wirkung der Farbe in seiner ganzen Leuchtstärke festzuhalten. Vincent van Gogh stellte fest „Es gibt kein Blau ohne Gelb und Orange“ [6] und bediente sich des Orange um seine Bilder mit Licht zu füllen. Auch Henri-Toulouse-Lautrec verwendete Orange sowohl für seine Bilder als auch für seine Plakate in Form von orangefarbenen Schriftzeichen und Paul Gauguin entführte die Betrachter seiner Bilder mit der Verwendung des exotisch wirkenden Oranges in die ferne Südsee.
Orange wurde im Sinne fernöstlicher Religionen zur spirituellen Farbe der 68iger Bewegung, der sogenannten Hippie Bewegung. Menschen aus vielen Ländern engagierten sich für eine friedevollere, offenere et gerechtere Welt und protestierten vehement gegen den Vietnamkrieg. Orange wurde zum Vorboten einer friedlichen Revolution und Symbol einer friedfertigen Lebensphilosophie. „Spiritualität, Meditation und Drogenkonsum, Kriegsdienstverweigerung, psychedelische Musik und freie Liebe verliehen diesem neuen Lebensgefühl Ausdruck.[7] Gleichzeitig erhielt das Orange Fahrtwind durch die parallel aufkommende Popkultur. Alltagsobjekte wurden mit neuen Formen und Farben von Designern entworfen. Diese wagten kühne Farbkombinationen wie Orange-Braun, Orange-Gelb und Orange-Weiß und sowie andere diverse knallige Orangetöne.
Die Bedeutung der Farbe Orange heute
Orange wird auch heute noch eingesetzt um auf etwas Neues hinzuweisen. Es ist das Kennzeichen von Firmen geworden, die ihren Produkten ein freches, junges und kreatives etwas geben wollen. „Aus diesem Grund haftet Orange auch das Image des Austauschbaren, Kurzlebigen und Modischen an, weshalb die Farbe bei hochwertigen Produkten nur selten zu finden sind.“[8] Sehr teure Luxusartikel werden nicht in Orange angeboten. Luxus und Orange passen nicht zusammen. Dafür gibt es anscheinend auch keine Nachfrage. Orange signalisiert die Künstlichkeit. Viele Artikel, die aus Plastik hergestellt werden sind Orange: vom Abfalleimer bis zur Zitronenpresse und vom Schraubenzieher bis zum Schneebesen. Haben deshalb einige Handwerksgeschäfte in ihrem Logo das Orange als dominante Farbe gewählt, wie Obi-Baumarkt zum Beispiel? Nützliche Produkte werden eben in Orange gekauft.
Orange wird auch sehr viel in der Werbebranche benutzt, weil die Farbe auffällig ist und die Aufmerksamkeit der potentiellen Konsumenten anzieht. Jedoch ist die Reaktion auf Werbung von immer mehr Menschen eher negativ: ein orangefarbener Werbeprospekt im Briefkasten endet automatisch im „orangenen Mülleimer“ und eine orangefarbene Seite in einer Zeitschrift wird einfach überblättert. Somit ist Orange eine modische Farbe im negativen Sinne: der Ausdruck des Aufdringlichen und des manipulierten Geschmacks.
Orange ist auch eine international anerkannte Warn-und Signalfarbe vor Gefahren. Sie wird dann verwendet, wenn es bei einer Reaktionszeit auf Sekundenbruchteile ankommt und eine falsche Entscheidung den Menschen das Leben kosten kann. Orange schützt durch Auffälligkeit. Diese Farbe hebt sich sehr gut vor jeglichem natürlichen Hintergrund ab: sei es im Wald, auf dem Meer oder im offenen Straßenverkehr. Deshalb sind die Kleider von Müllmännern, Straßenbauarbeitern und Straßenkehrern orange. In Fabriken kennzeichnet das Orange Maschinenteile, die schwer verletzen können wie Messer von Schneidemaschinen. Es werden mehr und mehr orangefarbene Aufkleber anstatt gelber Etiketten benutzt, um Behälter mit hochexplosivem, leicht entzündlichem oder giftigem Inhalt zu kennzeichnen.
Und schließlich strömt diese warme Farbe Sicherheit und Wärme aus. Sie stimuliert die Kommunikation. Feng-Shui Meister legen den Hausbewohnern nahe, Orangen im Flur, in der Küche und im Esszimmer sichtbar zu drapieren. Sie signalisieren den Gästen, dass sie willkommen in diesem Haus sind und öffnen die Herzen der Menschen durch ihre angenehm leuchtende Farbe. Sie ist eine vertraute Farbe in der Jugendkultur und sehr präsent im Freizeitbereich. Wenn man sich im beruflichen Bereich in Orange präsentiert oder seine Wohnung in Orange gestaltet, dann signalisiert man seinen Mitmenschen eine temperamentvolle, freundliche und weltoffene Einstellung. Sie ist die Farbe des Vergnügens, der Geselligkeit und Freude. Gemäß den Worten des Malers Eugène Delacroix weiβ jedermann, dass „Gelb, Orange und Rot Ideen der Freude und des Reichtums einflöβen und darstellen. ̎ [9]
Orange in anderen Kulturen
In asiatischen Kulturen wird Orange sehr positiv konnotiert. In China ist Orange die Farbe des Wandels. Gemäß der chinesischen Staatsreligion des Konfuzianismus, die eine sowohl das Diesseits als auch das Jenseits umfassende Lebensphilosophie ist, wird alles Sein als eine Wechselwirkung zwischen dem männlichen aktiven Prinzip des Yang und dem weiblichen reaktiven Prinzip des Ying verstanden. Diese beiden Kräfte verwandeln und ergänzen sich stetig. Nichts kann auf Dauer gleich bleiben.
Buddhistische Mönche in Indien tragen Gewänder in Orange und der orangefarbene Goldfisch symbolisiert im Buddhismus die Erleuchtung. Indiens Flagge beinhaltet die Farbe Orange und steht für Mut und Opferbereitschaft. Der Hauptgrund, warum es in Indien Orange in allen Farbschattierungen gibt, ist die Tatsache, daβ sie die Hautfarbe der Indier widerspiegelt. Auf indischen Gemälden werden Gottheiten und Hoheiten mit orangefarbener Haut gezeichnet. So wie die weißhäutigen Menschen die Farbe weiß idealisieren, obwohl ihre Haut doch gar nicht so strahlend weiß ist, so idealisieren die Inder ihre Hautfarbe mit dem Safrangelb. Interessant zu bemerken wäre auch, dass Inder mehr Orangetöne kennen als wir in unserer europäischen Kultur. Unsere Gelbtöne werden in Indien als Orangetöne bezeichnet. Sowohl das Safrangelb als auch das sogenannte Indischgelb sind in Indien ein Orange. Sehr beliebt ist dort auch der altbekannte Henna Farbstoff. Bei traditionellen Festen malen sich die Frauen orangeleuchtende Hennaornamente auf die Hände und Fußsohlen.
Im indischen Chakrasystem [10] wird dem zweiten, dem Sakralchakra die Farbe Orange zugeteilt. Es symbolisiert emotionale Ausgeglichenheit, Kreativität, Beziehungen, Fortpflanzung, tiefe Freude, Lust und Genuss. Es wirkt auf Bauch(organe), Leber, Magen, Galle und das vegetative Nervensystem.
Die Stellung im Farbkreis nach Itten
Der Maler und Kunstpädagoge Johannes Itten [11] entwickelte während seiner Lehrtätigkeit von 1919 bis 1923 im Bauhaus Weimar die Grundlagen seiner Farbtheorie. Er interessierte sich vor allem für die Interaktion und der daraus resultierenden Kontraste der zwölf Farben, die er in einem Farbkreis angeordnet hatte. Seine Grundidee war, dass alle Farben aus nur drei Grundfarben gemischt werden können.
Die Farbe Orange zählt zu den warmen Farben und ist die Komplementärfarbe zu Blau. Komplementärfarben sind die Farben mit den größten Gegensätzen und sie liegen sich im Farbkreis gegenüber. Werden diese gemeinsam gewählt wie z. B. Orange und Blau, dann verstärken sich diese beiden Farben in ihrer optischen Wirkung gegenseitig. Es entsteht der so genannte Komplementärkontrast.
Primärfarben sind Grundfarben, aus denen sich alle anderen Farben mischen lassen. Sekundärfarben entstehen durch eine Mischung zweier Farben. Orange ist eine Mischung aus Rot und Gelb.
Aktivitäten
[1] Quelle : hier (abgerufen am 23.2.2024)
[2] Pastoureau, Michel, Dictionnaire des couleurs de notre temps, Bonneton, Paris, 1999, Seite 164
[3] Pastoureau, Michel, Le Petit Livre des couleurs, Editions du Panama, Paris, 2005, Seite 33
[4] Quelle: hier (abgerufen am 23.2.2024)
[5] Zitiert von Heller, Eva, Wie Farben wirken, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1999, Seite 26
[6] Prof. Dr. Buether, Axel, Die geheimnisvolle Macht der Farben, Droemer Verlag, München 2020, Seite 251
[7] Prof. Dr. Buether, Axel, Die geheimnisvolle Macht der Farben, op.cit., Seite 255
[8] Prof. Dr. Buether, Axel, Die geheimnisvolle Macht der Farben, op.cit., Seite 256
[9] Hess, Walter : Das Problem der Farbe in den Selbstzeugnissen der Maler von Cézanne bis Mondrian, Mittenwald 1981, Seite 21
[10] Die Chakren-Lehre beschreibt ein allumfassendes Energie-System. Jedes einzelne Chakra gilt als Energiezentrum, das eine Verbindung zwischen Körper, Geist und Umwelt schafft – quasi ein Portal zwischen der inneren und äußeren Welt. Der Begriff « Chakra » stammt aus dem Sanskrit und bedeutet übersetzt „Rad“. Jedes der sieben großen Chakren steht mit bestimmten Organen und Körperbereichen in Verbindung und wird durch eine Farbe symbolisiert.
[11] Farbkreis nach Itten, unter : hier (abgerufen am 9.2.2024)