Der Winter

Fotografiert von Christine Bauer

Wenn der Winter sagte: Ich berge den Frühling in meinem Herzen. Wer würde ihm glauben?“ 

Khalil Gibran [1]

Winter konkret und auf metaphorischer Ebene

Im Winter herrscht vor allem eine große Stille in der Natur. Die Erde hält ihren Atem an. Die Natur ruht. Die Tiere haben sich in ihren Winterschlaf verzogen und zehren von den angelegten Vorräten des Herbstes. Der Lebensrhythmus hat sich auf ein Minimum verlangsamt. Nicht alle Lebewesen und Pflanzen überleben diese raue und kalte Zeit. Es ist eine Zeit der Trägheit und des Übergangs. Die Sonne steht tiefer am Himmel und ihre Strahlen wärmen den Boden nicht mehr so ergiebig wie im Sommer. Die Tage sind kürzer geworden, die Nacht hat dem Tageslicht noch nicht Platz gemacht, wenn wir morgens früh aufwachen. Während der Winterpause ist der Schlaf der Natur trotzdem dynamisch, unter der kalten gefrorenen Erde bereitet sich schon langsam neues Leben für den Frühling vor. Die meisten Samen brauchen die Dunkelheit, um zu keimen.
Der Mensch ist eingeladen mit dem Herzschlag der Natur in Einklang zu kommen, ihn zu respektieren und die Kontrolle über die Dinge abzulegen. Das heißt unter anderem aufhören zu wollen, zu können und zu haben; entschlossen zu wählen, hier und nicht anderswo zu landen; jetzt und nicht erst später, bewusst in einen Regenerationsprozess einzutreten; sich zu verstecken wie die Pflanzen, Bäume und Flüsse das so gut machen.

Stille Winterstraße 

Es heben sich vernebelt braun
Die Berge aus dem klaren Weiß,
Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,
Steht eine Stange wie ein Steiß.

Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf,
Wie ihn kein Maler malen darf,
Wenn er’s nicht etwas kann.
Ich stapfe einsam durch den Schnee.
Vielleicht steht links im Busch ein Reh
Und denkt: Dort geht ein Mann. 

                        Joachim Ringelnatz[2]

Gabriele Münter, Winterlandschaft, 1909 [3]

Winterkatharsis … wie viele von uns flüchten regelrecht vor ihr und machen weiter in dem rasenden Tempo, das uns die heutige Zeit diktiert und dem wir glauben folgen zu müssen, anstatt die Anzahl der Aktivitäten herunterzuschrauben und innezuhalten, in uns hineinzuhorchen. Kräfte müssen für den neuen Zyklus, der mit dem Frühling wieder beginnt, geschont werden.
Wir kommen klatschnass von dem nie enden wollenden Schneeregen nach Hause. Unsere Füße sind eiskalt. Können wir loslassen von dem ewigen sich schützen wollen vor den Unannehmlichkeiten des Lebens. Sind der der Komfort und die Routine wirklich ein Ziel des Lebens an sich? Der Winter, ist eine Zeit der bitteren Wahrheit, er lehrt uns, dass das Leben uns manchmal etwas wegnimmt, etwas, das uns sehr viel bedeutet hat. Das ist der unaufhaltsame Lauf der Dinge, den wir akzeptieren müssen. Der Winter muss aber nicht penibel sein. Alles hängt davon ab, wie wir es aufnehmen. Folgen wir den Worten Victor Hugos: „Ich liebe alles an der Natur, selbst das, was als hässlich oder traurig betrachtet wird, selbst den Winter und die Stürme. Ich zeige keine Herablassung, ich empfinde nicht das Bedürfnis zu kritisieren, ich erfreue mich unvoreingenommen an ihrem Anblick und gebe mich meiner Faszination für sie hin.[4]


[1] Khalil Gibran
]2] Quelle : hier (abgerufen am 4.3.2024)
[3] Quelle : Hier (abgerufen am 12.3.2024)
[4] Frei übersetzt nach Ducrocq, Anne, Nos saisons-Une métamorphose intérieure, La Martinière, Portugal, 2021, Seite 48

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